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Mareia Claudia Lange

SoulrootsReflexionen

über Menschliches & Zwischenmenschliches

Körper — Psyche — Gefühle

Moderne Helden


Was löst in den meisten Männern wohl mehr Angst und Hilflosigkeit aus: Eine bevorstehende Schlägerei mit einem anderen Mann oder seine emotional völlig aufgelöste, traurige oder zeternde Partnerin?

Nach meiner Erfahrung ist es die emotional aufgelöste Partnerin, vor der sich die meisten Männer am liebsten in Sicherheit bringen wollen. Die meistgewählte Strategie dafür ist mauern oder wüten. Bei einem bevorstehenden Kampf mit einem anderen Mann ist klar, was erwartet wird und was zu tun ist. Es ist eine instinktive tatkräftige Aktion auszuführen oder Lösung zu finden, die die Gefahr abwendet bzw. bewältigt. Die instinktive Beschützerrolle ist jedoch in beiden Situationen aktiviert.

Ist die Partnerin traurig und beklagt sich über jemanden oder etwas, dann funktioniert dieses Beschützerprogramm des Lösungen vorschlagens jedoch nicht und direkte Verteidigung ist auch nicht möglich. Da der Mann helfen möchte, macht er das, was sein Instinkt ihm eingibt. Nur leider ist das nicht das, was die meisten Frauen in einer solchen Situation brauchen bzw. ihnen hilft, um sich wieder zu beruhigen, verbunden und wertvoll zu fühlen. Dieses strategische Vorgehen macht es in vielen Fällen nur noch Schlimmer. Die Frau kann nicht wertschätzen, dass der Mann auf seine instinktive Art tatkräftig bzw. lösungsorientiert helfen möchte. Und der Mann versteht nicht, warum sie genervt reagiert, wenn er seine Art der Hilfe anbietet und sich nun zusätzlich vielleicht auch noch über ihn – den Partner – beklagt.

Angst vor Isolation – Angst vor Versagen

In Zeiten in denen wir noch in Stämmen in der Wildnis gelebt haben, war es für Frauen überlebenswichtig sich mit den anderen Stammesmitgliedern gut zu stellen, sich gegenseitig zu unterstützen und vorausschauend vorzugehen. Kommunikation und das aktive pflegen von Beziehungen, besonders unter den Frauen, war entscheidend. Viele Tätigkeiten wurden gemeinsam ausgeführt, wobei sich lebhaft unterhalten wurde. Sich um mehrere Sachen gleichzeitig zu kümmern oder im Blick zu haben war normal. Isolation, also Angst vor dem Verlust der Unterstützung und des Schutzes der Gruppe, war lebensbedrohlich für eine Frau. Für Frauen war kommunikative Beziehungsfähigkeit überlebensnotwendig. Frauen scheinen deshalb so etwas wie einen archaischen Beziehungsinstinkt zu haben.

Männer hingegen waren für die Sicherheit des Stammes zuständig und für die Jagd, also die Versorgung mit Fleisch/Fisch und Fellen. Bei der Jagd waren Männer zwar auch oft in Gruppen unterwegs, aber schwatzen wäre dabei eher hinderlich gewesen, denn das hätte die Beute aufscheuchen können. Zeichen oder kurze Hinweise waren gefragt. Zudem war es für Männer notwendig schnell auf eine akute Situation reagieren zu können, weshalb sie sehr aufmerksam sein mußten z.B. für Geräusche. Männer waren mit ihrer Aufmerksamkeit zwangsläufig ganz bei einer Sache. Plötzliche Stimmungsveränderungen lösten bei ihnen den Angriffs-Verteidigungs-Fluchtimpuls aus. Wenn ein Mann in der Jagt oder im Kampf gegen Raubtiere oder andere Stämme versagte, dann gefährdete das nicht nur sein Leben, sondern auch das Leben seiner Frau und Kinder oder eventuell noch anderer Stammesmitglieder. Versagen war lebensbedrohlich für mehr Personen als nur den „unfähigen“ Mann. Dieses Versagen löste große Scham in ihm aus, denn er konnte seiner „angestammten“ Rolle nicht nachkommen. (Die ursprüngliche Bedeutung von Scham ist: Das, was man verbergen will.) Für Männer war tatkräftige Geschicklichkeit im Kampf überlebensnotwendig. Männer scheinen deshalb so etwas wie einen archaischen Beschützerinstinkt zu haben.

Heutzutage leben wir nicht mehr in Stämmen und müssen uns in der Regel auch nicht mehr vor wilden Tieren fürchten – es gibt allerdings noch immer viele Gegenden, in denen Menschen in ihrem leiblichen Wohl bedroht sind. Es gibt viele Kriegsgebiete auf der Erde und auch Länder in denen es auch ohne Krieg nicht sicher ist. Diese „alten“ Instinkte sind immer noch aktiv in uns. Wie oft heißt es: Frauen, Kinder und alte Leute sind zu erst zu schützen und in Sicherheit zu bringen. Diese „Rollen“ scheinen tief in uns verankert zu sein.

Selbstverständlich beeinflußt die moderne Gesellschaft die instinktiven Rollen und es scheint alles etwas schwammiger zu werden. Viele Frauen machen heute Dinge, die einst als männliche Aufgaben galten und umgekehrt. Es gibt auch Frauen, die die Hauptverdienerinnen der Familie sind, also damit die Hauptversorgerinnen und Männer die sich in der Rolle des Kinderbetreuers und Hausmannes wohl fühlen, neben den vielen Verbindungen, wo es sehr ausgeglichen zugeht. Wenn wir jedoch einen Durchschnitt der großen Masse nehmen, behaupte ich, dass es noch sehr traditionell zugeht.

Angstbewältigungsstrategien

Wenn wir uns diese stammesgeschichtliche Erfahrung, die wir scheinbar in unserem Zellgedächtnis noch immer in uns tragen, bewußt machen und auch für die heutige Zeit ernst nehmen, dann erklärt es, warum die Angstbewältigungsstrategien von Männern und Frauen so unterschiedlich sind, so viel Konfliktpotential zwischen den Geschlechtern in sich tragen und die Bedürfnisse Beziehung zu führen so auseinandergehen.

Die Angst der Frau vor Isolation wird beruhigt, wenn sie mit den Personen, die ihr nahe sind gemeinsam etwas unternimmt und sich dabei unterhält. Sie fühlt sich Menschen nahe, zu denen sie mit ihren Freuden und Sorgen kommen kann und die ihr Zuhören und Trost spenden. Eine Frau braucht eine Schulter zum Anlehnen, jemand der einfach „nur“ zuhört und Verständnis zeigt für ihre Gefühle. Wendet sich jemand ab oder ist er nur mit geteilter Aufmerksamkeit bei ihr, dann wird ihre Angst vor Ablehnung und Isolation aktiviert. Augenkontakt gibt ihr Sicherheit. Frauen sind Multitaskingtalente, mögen es lebendig und mögen Abwechslung. Wenn es jemandem schlecht geht, dann kümmern sie sich emotional und pflegen körperlich. Sie holen Unterstützung, wenn es das braucht und es fällt ihnen wesentlich leichter als Männern um Hilfe zu bitte. Zu Stammeszeiten war das selbstverständlich.

Männer haben Angst als Versager dazustehen, was eine große Scham in ihnen auslösen würde. Scham schüttet körperlich große Mengen an Cortisol aus, weshalb es sich um ein äußerst schmerzhaftes Gefühl handelt, das das System sämtlicher Energie beraubt. Kraftlos dazustehen löst jedoch noch mehr Hilflosigkeit, und demnach noch mehr Versagensangst, aus. Wut und Aggression hingegen betäuben den Schmerz und füllen das Energiedefizit wieder auf. Das Fühlen der Scham ist tunlichst zu vermeiden, da es so schmerzhaft ist. Wenn ein Mann „scheitert“ glaubt er, dass er der Anerkennung seiner Partnerin nicht mehr würdig ist. Männer brauchen Anerkennung und einen freudigen Empfang, wenn sie von ihren „Ausflügen“ zurückkommen, egal wie lange diese „Ausflüge“ gedauert haben. Kritik oder Herabsetzung in seinen Kompetenzen und seiner Urteilsfähigkeit ist demütigend für einen Mann, da er sich dann als Versager vorkommt. Da plötzliche Stimmungsveränderungen und Geräusche die bedrohlich wirken den Angriff-Verteidigungsmodus im Mann auslösen, ist es für Männer bedrohlich, wenn ihre Partnerin einen vorwurfsvollen Ton anschlägt oder sagt, dass sie reden müssen. Beides bewirkt eine allarmierende Stimmung und birgt die Gefahr zu versagen oder sogar schon versagt zu haben. Männer brauchen keine langen, intensiven Gespräche, besonders über Gefühle, um sich nahe zu fühlen. Männer müssen sich nützlich und fähig fühlen, um sich der Nähe ihrer Partnerin würdig zu fühlen. Männer lieben in der Regel Routine, denn das bedeutet, dass alles seinen geregelten Gang geht, keine Gefahr droht und sie nicht das Leben anderer akut beschützen müssen. Das ist beruhigend.

Mitgefühl für die Bedürfnisse und die Art des Beziehungsangebotes der anderen Person

Das Bedürfnis nach Verbundenheit und Nähe ist bei Männern und Frauen vorhanden. Beide wollen, dass der Partner bzw. die Partnerin glücklich ist. In der Verliebtheitsphase wird die Frau in der Regel nicht anzweifeln, dass sie sich auf die emotionale Unterstützung des Mannes verlassen kann. Er wird instinktiv seine Schulter zum anlehnen anbieten und ihr zuhören. Sie wird ihn freudig empfangen, wenn sie sich wiedersehen und über jede Gelegenheit freuen, die sie gemeinsam Verbringen.

In dieser Zeit spielen die Hormone jedoch etwas verrückt und wir bringen automatisch mehr Mitgefühl für den/die andereN auf und es fällt uns leichter uns in die Position des anderen einzufühlen, bzw. wir bemühen uns mehr darum.

Wenn diese erste Phase vorbei ist, setzen die üblichen Automatikreaktionen und Angstmechanismen jedoch wieder ein. Dies beginnt das Gefühl der Verbundenheit immer mehr zu zerstören. Meist endet es in einem Machtkampf. Beide wollen, dass der/die andere so reagiert, wie man selbst es tun würde. Beleidigtes nölen oder zetern und mauern oder aggressives Verhalten in Wort und/oder Tat sind die Folge.

Dieser Kreislauf kann nur durchbrochen werden, wenn beide das instinktive Bedürfnis der/s Anderen respektieren und aus Liebe zum Gegenüber und aus dem Wunsch heraus die Verbindung aufrecht zu erhalten, Mitgefühl für die Position des/r Anderen aufbringen und entsprechend auf das Bedürfnis eingehen, da die Angst dahinter gesehen und anerkannt wird. Es bedeutet auch das Beziehungsangebot der/s anderen anzunehmen, auch wenn es nicht dem entspricht, was man selbst machen würde.

Das bedeutet im Klartext:

  • Der Frau von Herzen zuhören und ihr eine Schulter zum Anlehnen anbieten.
  • Den Mann körperlich berühren, um zu signalisieren, dass Frau ganz bei ihm ist und mit ihm etwas machen, worin er gut ist.
  • Wenn eine Frau um ein Gespräch bittet, ist das ihre Art zu zeigen, dass ihr die Verbindung wichtig ist.
  • Wenn ein Mann etwas für oder mit der Frau tun möchte und/oder seine Hilfe anbietet, ist das seine Art zu zeigen, dass ihm die Verbindung wichtig ist.

Der Angst ins Gesicht sehen und sich auf Verbindung ausrichten

Oftmals tut der/die PartnerIn überhaupt nicht das, was wir gerade brauchen, da er/sie es auf ihre/seine Art tut. Wenn du dich dadurch abgewiesen oder entwertet fühlst, dann werde dir darüber bewußt, dass das deine Interpretation ist. Vielleicht löst das Verhalten des/r PartnerIn Angst in dir aus. Gestehe dir das ein. Reagiere dann nicht automatisch beleidigt, zeternd, ärgerlich oder mit Rückzug, sondern bleibe ruhig, frage nach, was die Absicht des/r anderen ist und trau dich, über deine Angst zu sprechen. Vielleicht schaffst du es sogar von einer wohlwollenden Absicht auszugehen, ohne nachfragen zu müssen, da du dich in die Position der/s Anderen reinversetzen kannst. Wenn du feststellst, dass die Absicht eine ist, die die Verbindung fördern soll, dann erkenne das an und sprich aus, dass du das wertschätzt. Wenn sich dein Gegenüber mit seiner/ihrer Angst zeigt, dann frage nach, was er/sie jetzt von dir braucht und erfülle das Bedürfnis des/r anderen Person – auch wenn es überhaupt nicht deinem natürlichen Impuls entsprechen würde. Wenn du das wieder und wieder tust, dann wird sich die Angst im Anderen mit der Zeit immer mehr beruhigen. Vertrauen entsteht und ein wertschätzendes Miteinander wird immer selbstverständlicher.

Wenn du merkst, dass dir die Verteidigung deines Egos wichtiger ist, als das Wohlergehen deiner/s PartnerIn, dann bist du auf dem besten Weg die Verbindung zum/r PartnerIn zu verlieren. Wenn du Mitgefühl für deinE PartnerIn fühlst und entsprechend lebst, dann wird die Verbindung gestärkt.

Ich wünsche euch einen achtsamen Umgang miteinander, in dem jedeR die Verantwortung für das eigene Wohlergehen und das des/r Anderen im Herzen trägt und danach lebt. Und denk dran, wenn du dich auf die Bedürfnisse des/r Anderen einläßt, dann wird er/sie glücklicher, was wiederum auch dich ruhiger und glücklicher leben läßt. Es kommt dir also zu Gute, wenn du dich um das MITEINANDER bemühst.

Moderne Helden sind also nicht die, die vor den Bedürfnissen des/r Anderen davonrennen, um sich vor dem eigenen Schmerz, der dadurch eventuell ausgelöst wird, zu schützen, sondern die, die sich ihnen mutig stellen, die eigenen Gefühle innerlich beobachten und durchlaufen lassen und dann mitfühlend auf den/die Andere eingehen.

Ich wünsche dir viel Spaß beim anwenden und freue mich über Kommentare, Fragen und/oder Erfahrungsberichte. Nutze dafür das Kommentarfeld unter diesem Blogartikel. Und wenn du den Artikel magst, dann leite ihn gerne an andere Personen weiter. Vielleicht inspiriert es ja jemanden oder es ist genau das, was jemand gerade braucht.


Dienstag, 22.Dezember 2015

warum ich den Blog führe

Die Arbeit mit den Menschen die ich begleite, meine Partnerschaftserfahrungen, das Tango Argentino tanzen, alltägliche Erlebnisse und meine Reisen in andere Länder regen mich besonders zur Reflexion über Menschliches und Zwischenmenschliches an.
Einige meiner Reflexionen teile ich hier.

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