Blog

SoulrootsReflexionen
über Menschliches & Zwischenmenschliches
Körper — Psyche — Gefühle

Impulsiv oder gefühlvoll?
Über Frauen wird gerne gesagt sie seien emotional und neigen zur Dramatisierung. Auf mich trifft das ohne weiteres zu – auch wenn es Menschen gibt die behaupten ich käme kühl rüber. Aber fragen sie mal meinen Partner… Er kennt meinen feuerspeienden Drachen gut.
Ich gebe zu, ich war lange Zeit regelrecht stolz darauf, dass ich fähig bin und mir die Freiheit nehme meine Gefühle unmittelbar zu leben. Dies bedeutete, dass ich in Tränen ausbrach, wenn ich traurig oder verletzt war, die Wut aus meinen Augen herausschoss und meine Stimme scharf wurde, wenn ich wütend war und ich herzhaft lachte, wenn ich mich amüsierte. Die Menschen mit denen ich zu tun hatte wussten woran sie bei mir sind. Mir wird nachgesagt mein Gesicht sei ein offenes Buch. Und ich dachte doch tatsächlich es gelänge mir manchmal meine Gefühle zu verstecken, wenn ich es in der jeweiligen Situation als wenig förderlich empfand sie zu zeigen. Fehlanzeige.
Viele Menschen wären froh, wenn sie ihre Gefühle offen zeigen könnten.
Also: Nichts weiter dabei – oder?
Wer steuert hier die Reaktion?
Vor einiger Zeit sagte mir eine Frau: „Sie sind nicht gefühlvoll, sie sind impulsiv.“ Ich wäre der Dame am liebsten an die Gurgel gegangen. Sie hatte ja wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank. Was fiel ihr ein zu behaupten ich sei nicht gefühlvoll? Ich lebte doch meine Gefühle – in voller Intensität noch dazu. Also bin ich gefühlvoll.
Die Absurdität dieser, zugegebenermaßen übertriebenen, Reaktion ging mir erst Monate später auf. Glücklicherweise überschüttete ich sie nicht mit meiner Empörung. Stattdessen schien ich so perplex zu sein, dass ich tatsächlich inne hielt und verdutzt fragte, was denn der Unterschied sei. Ihre Erklärung erinnere ich nicht mehr, ich weiß nur noch, dass es mir noch nicht plausibel war.
Fast zwei Jahre später sind mir ein paar Lichter aufgegangen. Vor allem dank der Auseinandersetzungen mit meinem Partner und seiner Offenheit darüber, wie es ihm damit geht, wenn mein Drachen in Aktion tritt.
Hätte ich erwähnte Dame mit meiner Empörung überschüttet, dann hätte ich impulsiv reagiert. Es wäre eine Reaktion gewesen, die aus einer Verletzung heraus stattgefunden hätte. Wenn ich mich verletzt oder bedroht fühle und dem hormonellen Geschehen freien Lauf lasse, dann wird das Denkhirn ausgeschaltet und das Notprogramm springt an, welches auf Angriff und Verteidigung ausgerichtet ist. Ein Tunnelblick setzt sozusagen ein. Ich spule das Reaktionsprogramm ab, welches ich mir in Kindheitstagen angeeignet habe, da es in der Umgebung in der ich aufwuchs hilfreich war so zu reagieren – oder zumindest meinte das irgendwas in mir. Das hat mit vernunftgesteuertem Handeln aber nichts mehr zu tun.
Wäre es förderlich gewesen, wenn ich empört reagiert hätte? Wäre die Chance größer gewesen eine erklärende Antwort zu bekommen, was sie mit ihrer Aussage meint? Sicherlich nicht.
Mein Glück war, dass ich so perplex war (und wohl auch gut genug erzogen), dass ich innehielt. Somit hatten die hochgekochten Emotionen – und die gleichzeitig ausgeschütteten Hormone – eine Chance sich wieder zu beruhigen bzw. abgebaut zu werden. Ich handelte nicht aus dem Affekt heraus, sondern setzte mein Denkhirn ein und fragte nach. Ich wollte es genau wissen. Ich erhielt eine erklärende Antwort.
Was ist meine Absicht? – Dosierung als Zaubermittel
Wenn es in einem Konflikt hoch her geht, dann ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich der Konflikt klärt, wenn beide aus den alten Automatikprogrammen heraus agieren. In der Regel dreht eine Person auf und die andere Person macht dicht. Wie gelingt es jedoch aus diesen Dynamiken auszusteigen und aufeinander zuzugehen?
Es gelingt beispielsweise durch das zuvor erwähnte Innehalten. Auch weiteratmen und dabei besonders das Ausatmen ist immer wieder sehr hilfreich. Eine kurze lockernde Bewegung kann auch den Bann lösen.
Aber warum sollte ich meine altgedienten Schutzmechanismen ablegen?
Was ist ihre Absicht in einem Konflikt? Manche haben die Absicht ihren Punkt durchzusetzen und den oder die andere zu überzeugen. Mir geht es zwar auch darum, dass der/die andere meine Seite nachvollziehen kann und versteht und mir meine Sicht der Dinge läßt. Mir geht es darüber hinaus jedoch auch um Klärung des Konflikts. Und das auf eine Art, dass wir uns beide hinterher wieder in die Augen gucken können. Und dafür ist es hilfreich mein Gegenüber nicht mit meinem Gefühlsausbruch zu überfluten.
Soll ich meine Gefühle nun unterdrücken?
Nein, natürlich nicht. Aber zwischen den/die andere/n überfluten und meine Gefühle unterdrücken gibt es noch mehr Möglichkeiten. Wenn ich es schaffe mich zu sammeln, dann gelingt es mir in einem möglichst ruhigen Ton auszusprechen, was in mir angerührt ist und eventuell, was mir jetzt helfen könnte oder was ich bräuchte, um meinen Schutzmechanismus sein zu lassen und wieder offen zuzuhören und den Konflikt zu klären.
Aber handele ich nicht wider meiner Natur und verstelle oder verbiege mich, wenn ich nicht meinem natürlichen Impuls folge?
So wird es sich erst mal anfühlen. Schließlich haben wir uns eine bestimmte Reaktionsweise zugelegt, weil sie zu einem bestimmten Zeitpunkt in unserem Leben tatsächlich hilfreich war. Inzwischen sind aber einige Jahre ins Land gegangen und ich habe (auch) mit anderen Menschen zu tun. Wenn ich mich dem Ergebnis zu liebe zurücknehme oder statt mich zurückzuziehen da bleibe und öffne, könnte es durchaus passieren, dass ich eine Seite in mir entwickle oder zurückerobere, die früher keine Chance gehabt hätte, aber eigentlich zu meiner Ganzheit oder meinem authentischen sein dazugehört.
Impulsivität ist also aus einer Verletzung oder Bedrohung heraus geleitet und ruft eine Automatikreaktion in einer Stärke hervor, die der Situation nicht angemessen ist.
Gefühlvoll bedeutet dosiert auf die Situation reagieren zu können, so wie es der Situation förderlich ist. Das Gegenüber und die Zielabsicht können weiter mit in Betracht gezogen werden.
Ich möchte nicht behaupten, dass ich meinen Drachen schon vollends gezähmt hätte, aber er faucht auf jeden Fall weniger häufig und meist auch weniger heftig als in früheren Zeiten.
Ist ihnen der Unterschied zwischen impulsiv und gefühlvoll schlüssig?
Wie erleben sie sich selbst?
Ich hoffe meine Ausführungen geben ein paar hilfreiche Anregungen zur Reflexion.
Über Kommentare zu diesem Blogbeitrag freue ich mich. Bitte nutze dafür das Kommentarfeld unterhalb des Artikels.