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Mareia Claudia Lange

SoulrootsReflexionen

über Menschliches & Zwischenmenschliches

Körper — Psyche — Gefühle

Hören – Verstehen – Empathie


Du verstehst mich einfach nicht! Das ist eine Aussage die viele immer wieder sagen oder denken. Andere möchten gerne verstehen und fühlen sich hilflos, so lange sie es nicht tun.

Ich erlebe es immer wieder – besonders, wenn ich mit Paaren arbeite – dass sie sich gegenseitig nicht verstanden fühlen. Vielleicht glaubt eine Seite den/die Andere zu verstehen, wenn etwas gesagt wird, meist beruht dies jedoch auf einer unaufgeklärten Vermutung. Es kommt außerdem immer wieder vor, dass sie meinen zu wissen, was der/die andere denkt oder fühlt oder warum er/sie etwas tut und begründen darauf ihr Handeln. Beides führt in der Regel zu Frustration, Unzufriedenheit, Einsamkeit und/oder noch einigen anderen Gefühlen.

Wirkliches Zuhören

Ich habe in meiner Kinderzeit immer mal wieder Stille Post gespielt mit Freund*innen. Du auch? Du weißt, von was ich rede? Alle stehen in einem Kreis. Jemand denkt sich einen Satz aus und flüstert es dann der nächsten Person ins Ohr. Diese Person flüstert es dann der Person danach ins Ohr und so geht es Reih um, bis der Satz wieder bei der Person, die ihn losgeschickt hat, angekommen ist. Ich weiß nicht wie es bei euch war, aber ich habe es glaube ich nicht ein Mal erlebt, dass am Ende der Satz ankam, der am Anfang losgeschickt wurde. Das fanden wir damals sehr lustig.

Man will meinen, dass es uns im Erwachsenenalter inzwischen leichter fällt, Sätze wortgenau wiederholen zu können, zumal, wenn sie nicht geflüstert, sondern in normaler Lautstärke gesagt werden. Aber probiere es ein Mal mit jemandem aus, mit einem Thema, das euch emotional berührt. Ein paar Minuten werden vermutlich schon sehr aufschlußreich sein. Eine Person sendet – sagt also jeweils einen Satz – und die andere Person spiegelt – wiederholt den Satz also wortwörtlich. Gelingt das wortwörtliche Wiederholen? Meine Erfahrung in der Arbeit mit Paaren ist, dass es den Wenigsten gelingt – besonders, wenn es ein emotional berührendes Thema ist. Meistens werden eigene Worte reingemischt – was, in den meisten Fällen, eine unbewußte Eigeninterpretation zeigt. Spüre als sendende Person, wie es sich für dich anfühlt, wenn dein Gegenüber wortwörtlich wiedergibt und wie es sich anfühlt, wenn es von dem abweicht, was du gesagt hast. Was fühlt sich befriedigender an?

Es scheint erst ein Mal irrelevant zu sein, dass es abweicht. Meine Erfahrung zeigt mir, dass die sendende Person eine Erleichterung erfährt, wenn wirklich wortgetreu wiedergegeben wird. Es braucht dafür eine große Aufmerksamkeit auf der Seite der Person die spiegelt.

Verstehen

Wirkliches Zuhören will also gelernt sein. Dies ist jedoch erst der erste Schritt.

Dass ich etwas wortgenau wiedergeben kann ist noch kein Garant dafür, dass ich auch verstanden habe, was die andere Person mit dem meint, was sie sagt.

Dafür ist es oftmals hilfreich sich in die Welt der anderen Person reinversetzen zu können. Auch dies hört sich erst ein Mal einfach an. Nach meiner Erfahrung mit Paaren ist es das jedoch meistens nicht. Es ist dafür notwendig, sich zunächst in die Erfahrungswelt der anderen Person reinzudenken. Die Bereitschaft dazu muß gegeben sein. Wer mit der Annahme durch die Welt läuft, dass seine Schlussfolgerungen und Überzeugungen die einzigst Richtigen sind und es darum geht die andere Person davon zu überzeugen, dass der eigene Standpunkt der einzig Logische oder Richtige ist, wird beim Verstehen scheitern.

Um zu verstehen, ist es hilfreich, wenn die zuhörende Person ein paar Hintergrundinformationen erhält. Die Person die etwas zu einem emotional beladenen Thema sendet, sollte demnach erklären, was das Thema in ihr auslöst und an was es sie aus der eigenen Vergangenheit erinnert. Es ist wichtig, dass die zuhörende Person erfährt, was angerührt ist.

Die anschließende Aufgabe der zuhörenden Person ist es dann, dass sie versucht, auf Grund der Informationen, die sie nun hat, zu sagen, warum es Sinn macht, dass die zuvor sendende Person auf diese bestimmte Art und Weise empfindet oder reagiert, wie sie es tut (was sie vorher benannt haben muß).

Im folgenden ein fiktives Beispiel einer Situation – mit Hintergrundinformationen. (ohne spiegeln)

A (Sender): Wir hatten abgemacht, dass wir den Mittwoch miteinander verbringen werden. Am Dienstagabend merktest du dann, dass du erschöpft bist und hast den gemeinsamen Tag deshalb abgesagt, da du dich erholen wolltest, um wieder zu Kräften zu kommen. Ich war traurig und auch verärgert, denn ich hatte mich zum einen auf den gemeinsamen Tag gefreut und mir diesen Tag außerdem auch extra freigehalten.

Dies erinnert mich an Situationen, die ich in meiner Kindheit immer wieder mit meinem Vater erlebt habe. Meine Eltern waren getrennt und es war verabredet, dass er mich und meine Schwester am Samstag zu einer bestimmten Zeit abholt. Es kam immer wieder vor, dass er entweder unangekündigt zu spät kam oder im letzten Moment absagte. Diese Ungewissheit war furchtbar. Das machte mich traurig und später auch wütend. Vor allem tat es weh, weil ich glaubte, dass wir ihm nicht wichtig genug sind.

Die zuhörende Person (B) hat die Informationen die sie braucht, um nachvollziehen zu können, warum die sendende Person traurig und wütend ist, dass B kurzfristig abgesagt hat. Es macht mit dieser Kindheitsgeschichte Sinn, dass A traurig und wütend reagiert, denn es ist eine alte Verletzung angerührt.

Empathie

Gehen wir davon aus, dass B einen ganz andere Erfahrungshintergrund hat. Für B ist es kein Drama, wenn kurzfristig abgesagt wird, vor allem wenn die andere Person nicht bei Kräften ist und sich um sich kümmern möchte. Dann wird der Tag eben für etwas anderes genutzt. Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.

Ich erlebe es mit Paaren immer wieder, dass B mit den gegebenen Hintergrundinformationen dahin kommt, dass es mit etwas Aufwand zwar gelingt, dass er/sie sagen kann, dass es Sinn macht, dass A traurig und wütend reagiert (da es an die Geschichte mit dem Vater erinnert – um beim Beispiel zu bleiben). Anschließend sagt B dann aber: Ich verstehe A aber immer noch nicht.

Was sich in der Arbeit mit Paaren gezeigt hat ist, dass zwar „nicht verstehen“ gesagt wird, dass aber „nicht nachempfinden“ können gemeint ist, auf Grund des anderen Erfahrungshintergrunds. Dies unterscheidet für mich Verstehen und Empathie.

Ich kann etwas vom Kopf verstehen, da ich eine intellektuelle Schlussfolgerung ziehen kann. Etwas macht Sinn, wenn ich es mir überlege. Es wirklich nachfühlen zu können, kann trotzdem schwer fallen, wenn ich keine eigene erlebte Erfahrung dazu habe. Wenn B zudem nicht nachvollziehen kann warum die Erfahrung aus der Kindheit jetzt noch emotionale Emotionen hervorruft, obwohl das doch längst Schnee von gestern ist, wird das Verstehen zusätzlich noch erschwert.

Empathie ist für mich die Fähigkeit, mich in die Welt einer anderen Person einfühlen zu können, mitzufühlen. So als würde ich in die Haut der anderen Person hineinschlüpfen und einen Moment lang in ihre Erfahrungswelt eintauchen. Wenn ich für einen kurzen Moment sozusagen zur anderen Person werde, dann findet das Verstehen nicht nur intellektuell statt, sondern auch emotional. Aus diesem emphatischen Verstehen heraus kann dann eine andere Art der Verbundenheit entstehen. Ein mitfühlenderer Umgang ist nach meiner Erfahrung die Folge davon.

Annahmen abklären

Ich schlage deshalb vor, dass du das nächste Mal, wenn du, auf Grund deines Erfahrungshintergrunds, Schlussfolgerungen ziehst oder das Verhalten oder die Reaktion einer anderen Person nicht nachvollziehen kannst, nachfragst. Frag, ob deine Annahme stimmt bzw. frag, was der Grund für ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Reaktion ist. Probiere zunächst aufmerksam zuzuhören, dann zu verstehen und dich in die Welt der anderen Person einzufühlen. Es bedeutet nicht, dass du die gleiche Meinung annehmen mußt oder dich so ändern mußt, dass du diese Reaktion nicht mehr auslöst, aber es eröffnet die Möglichkeit eines anderen Miteinanders, wenn intellektuelles und emotionales Verständnis füreinander besteht. Beide Seiten fühlen sich dadurch gehört und gesehen und dadurch in der Regel auch ernst genommen und wertgeschätzt.

Ich wünsche dir und euch viel Spaß beim ausprobieren und freue mich über Kommentare und Rückmeldungen. Nutze dafür, wie auch für Fragen oder Wünsche für zukünftige Blofthemen, bitte das Kommentarfeld.


Montag, 21.März 2016

warum ich den Blog führe

Die Arbeit mit den Menschen die ich begleite, meine Partnerschaftserfahrungen, das Tango Argentino tanzen, alltägliche Erlebnisse und meine Reisen in andere Länder regen mich besonders zur Reflexion über Menschliches und Zwischenmenschliches an.
Einige meiner Reflexionen teile ich hier.

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