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SoulrootsReflexionen
über Menschliches & Zwischenmenschliches
Körper — Psyche — Gefühle

‘Lieb mich’ und ‘Fass mich nicht an’
Auf Grund nicht beantworteter Bedürfnisse in frühester Kindheit besteht in vielen Personen eine tiefe Verunsicherung, ob sie als Person gewollt und geliebt sind oder ob sie nur dann gewollt und geliebt sind, wenn sie sich auf bestimmte Art und Weise verhalten. Die einen meinen dies bestätigt zu bekommen, wenn sie umhätschelt werden und ihr Liebespartner/ihre Liebespartnerin ihnen häufig bis ständig nahe sein will und die anderen meinen das bestätigt zu bekommen, wenn ihnen Freiheit und Unverbindlichkeit gewährt wird. Dies führt immer wieder zu Kollisionen, die nur mit Schmerz auf beiden Seiten enden kann. Dies ist nach meiner Erfahrung besonders in (potentiellen) Partnerschaften jedweder Kombination weit verbreitet. Im Folgenden gehe ich darauf ein, was mögliche Ursachen sind.
„Lieb mich“ und „Fass mich nicht an“
Viele Babys wurden wenig beachtet und oft nur zu den notwendigen Versorgungshandlungen aufgenommen. Einige davon haben zusätzlich früh vermittelt bekommen, dass sie weniger wert sind, als andere. Dies kann sich auf das Geschlecht, auf gesundheitliche Gegebenheiten und anderem mehr gründen. Die Folge ist ein Hunger nach Körperkontakt und Bestätigung von Außen, dass sie richtig und wertvoll sind, so wie sie sind. Sie brauchen häufig Sicherheitsbekundungen. Kommt es im späteren Leben zu einer Begegnung mit jemandem, von dem sie sich angezogen fühlen und dem sie nahe kommen wollen, bedeutet das, dass sie sich von anderen wünschen, dass sich öffentlich zueinander als Paar, besser sogar noch als Ehepaar, bekannt wird. Mit Unverbindlichkeiten können sie nur schwer bis gar nicht umgehen. Ich nenne sie hier die „Lieb mich“-Menschen.
Andere wurden etwas häufiger beachtet und aufgenommen. Ihnen wurde eventuell auch vermittelt, dass sie erwünscht sind, aber teils nur als Statussymbol (zum Beispiel weil sie männlichen Geschlechts oder der/die Erstgeborene sind) oder wenn sie sich auf bestimmte Art und Weise verhielten. Sie fühlten sich nicht ihrer selbst willen geliebt. Sie wurden oftmals stolz herumgezeigt, als die Bewunderer dann aber fort waren auch wieder weg gelegt. Oder sie wurden als Ersatzobjekt, für den abwesenden Elternteil, meist den Vater, hergenommen, und wurden mit Liebe überschüttet. Kam der Elternteil/Vater nach Hause, wurde das Baby plötzlich zur Seite gelegt und nicht mehr großartig beachtet. Dies hat zur Folge, dass Nähe mit Skepsis gekoppelt ist. Dementsprechend brauchen sie später ihre Freiheit, es wird eng in ihnen und sie wollen ausbrechen, wenn jemand Nähe und Sicherheitsbekundungen von ihnen einfordert. Ich nenne sie hier die „Fass mich nicht an“- Menschen. Feste Partnerschaften sind ihnen ein Gräuel.
Wenn diese beiden Stereotypen aufeinandertreffen, sind schmerzhafte Kollisionen geradezu vorprogrammiert. Es kommt häufig vor, dass sich ausgerechnet diese beiden gegensätzlichen Typen finden, da dies die größte Wachstumschance in sich birgt. Die Verletzung will geheilt werden und das kann nur geschehen, wenn ihr ins Gesicht gesehen wird. Bei jemandem der ähnlich tickt, ist die Herausforderung, in Bezug auf diesen wunden Punkt, nicht gegeben.
Die Angst vor der Konfrontation mit dem eigenen Schmerz
Den meisten ist schon früh abgewöhnt worden, die eigenen Gefühle ausdrücken zu dürfen. In der Konsequenz wurden sie dann nicht mehr gefühlt oder zwar noch wahrgenommen, aber überwiegend unterdrückt, abgesehen von gelegentlichen Ausbrüchen. Wird an diesen jetzt gerüttelt, wird geradezu an einem Pulverfass gezündelt. Das macht den meisten große Angst. Gefühlvolle Menschen werden zudem häufig belächelt, als sentimental abgetan und, besonders wenn es ein Mann ist, als Weichei bezeichnet.
Es findet zwar in den letzten Jahren verstärkt ein Wandel dahingehend statt, dass Gefühle immer mehr zugelassen werden dürfen – in gewissen Rahmen – aber ein freier, leichter Umgang herrscht noch lange nicht. Deshalb besteht bei vielen Menschen eine Angst vor Weichheit, da sie Sorge haben, dass sie dann zu verletzlich und schwach sind, was auch immer dieses „zu“ für jeden einzelnen bedeuten mag, und nicht mehr funktionieren, also nicht mehr ihre täglichen Pflichten bewältigen können. Meine Erfahrung hat mir jedoch gezeigt, dass nur, wer weich und mitfühlend mit sich und anderen wird, aus diesem Teufelskreis der emotionalen Schmerzen und ferngesteuerten Programmabläufe aussteigen kann und berührbar und wirklich menschlich wird. Er funktioniert nicht mehr nur, sondern ist wirklich lebendig. Weichheit hat nicht im Geringsten mit Schwäche zu tun, sondern mit Hingabe an den Moment, mit Fließen und Genießen sowie mit Sich-fallen-lassen.
Wie kann sich in Freude begegnet werden und Heilung stattfinden, wenn so unterschiedliche Voraussetzungen gegeben sind? Wie gelingt es weich und verletzlich zu werden, wenn die Schmerzen und Ängste so massiv sind und die Prägungen so tief verankert, welche sich in unwillkürlich ablaufenden Automatikprogrammen zeigen?
Sich ganz hingeben
Der erste Schritt dahin ist die klare Entscheidung, vor den Gefühlen nicht weiter davonzurennen. Ein weiterer wichtiger Schritt besteht darin, den Mut aufzubringen, die eigenen Masken abzulegen und sich zu zeigen, sich dem Moment frei und hundertprozentig, ohne Zurückhaltung aus Gründen des Selbstschutzes hinzugeben. Das bedeutet, dass ich mich selbst zum Geschenk mache, ohne die Sicherheit, dass ich vom Gegenüber „das Gleiche“ zurückerhalten werde oder wir auf jeden Fall über einen bestimmten Zeitraum hinweg in Kontakt bleiben.
Ich kann mich allerdings nur zum Geschenk machen, wenn ich spüre, dass ich dessen auch wert bin, dass ich mich also selbst als so wertvoll empfinde, dass ich ein Geschenk sein kann. Wenn ich meinen Selbstwert von einer Versicherung meines Gegenübers abhängig mache, zum Beispiel dass ich von ihm gewollt bin, bleibe ich „gefangen“. Es braucht also Mut, sich einfach zu verschenken, sich offen zu zeigen, mit allen Fassetten und sich dem Moment ganz hinzugeben.
Anfangs kann dieser Mut unter Umständen nur mit klarer Bewusstheit mobilisiert werden, so lange das Selbstwertgefühl noch wackelig ist, da sonst die unbewussten, alten Automatikprogramme die Regie übernehmen. Dies braucht Disziplin und Konzentration. Anfangs mag es anstrengend sein und man ist gewillt alles hinzuschmeißen, da das Altbekannte zwar nicht erfüllend, aber zumindest weniger Arbeit scheint. Aber es fällt leichter, je mehr die Ursachen der eigenen wunden Punkte emotional aufgearbeitet und transformiert wurden, wobei aktive Begleitung von Außen hilfreich sein kann. Dieser Prozeß führt zu einer Rückverbindung zur eigenen Kernwesensnatur. Wenn ich mit dieser verbunden bin, spüre ich meinen eigenen Wert. Mit der Zeit wird das, mich auf meine wahre Art zu zeigen, ganz natürlich.
Mich selbst zum Geschenk zu machen, damit meine ich nicht nur die körperliche Ebene, sondern die ganze Person, die sowohl alle Qualitäten als auch die sogenannten Schwächen beinhaltet. Wenn ich mich rückhaltlos offen, mit all meinen Seiten zeige, setze ich mich dem Risiko einer Ablehnung aus. Zugleich schaffe ich aber überhaupt erst die Möglichkeit, zu erfahren, dass ich als ganzer Mensch, so, wie ich bin, mit offenen Armen und aus freien Stücken empfangen werde.
Das bedeutet nicht nur Hingabe an den anderen Menschen, sondern auch dem gegenwärtigen Moment – ich kann mich immer nur so schenken, wie ich jetzt gerade bin. Versuche ich einem Bild von mir zu entsprechen (einem eigenen oder dem, das sich ein anderer von mir gemacht hat), verliere ich meine Authentizität wieder. Diese Hingabe, bedarf nicht nur innerer Stärke und Selbstsicherheit, sondern auch Weichheit, denn nur dann kann ich mit dem Strom des Augenblicks mitfließen. Wenn ich starr und hart bin, muss ich mich anstrengen, um mich zu bewegen, und es fällt mir wesentlich schwerer, überhaupt etwas zu fühlen und mich innerlich berühren zu lassen. Es braucht viel Energie, den Fluss aufzuhalten. Fließen tut es hingegen von selbst, und natürliches Strömen füllt meine Energiereserven in Leichtigkeit.
Miteinander sein
Das freie Sichherschenken, fördert das innere Leuchten aller Beteiligten. Es genügt einfach, zu sein und den anderen ebenfalls sein zu lassen. Die Voraussetzung hierfür besteht in der Fähigkeit, mir selbst und dem anderen wahrhaftig zuzuhören und beiden Seiten die Eigenverantwortung und freie Wahl zu lassen. Wenn ich wahrhaftig zuhöre und dem anderen von Herzen begegne, reagiere ich auf das, was von der anderen Person wirklich gefragt und gewünscht ist, und lasse mich nicht von dem leiten, was ich meine, dass sie wünschen würde. Reagiere ich lediglich auf das, was vom anderen gefragt wird, dann bedeutet das zugleich, dass der andere sich klar äußern muss, was ihn oder sie wiederum in der Eigenverantwortlichkeit fördert.
Wie ziehe ich das Wunschgegenüber an?
Mich frei herschenken heißt nicht, mich auf alles und jeden voll und ganz bedingungslos einzulassen und bei allem mitzumachen. Es bedeutet meine eigene Wahrheit, also unter anderem meine Bedürfnisse zu benennen, ohne jedoch den Anspruch zu haben, dass diese auf jeden Fall erfüllt werden müssen. Der andere hat selbstverständlich die freie Wahl ja oder nein zu sagen – seiner Wahrheit entsprechend zu handeln. Wenn es eine Einigung gibt ist das schön und wenn nicht, dann trennen sich die Wege hier vielleicht, für dieses Mal oder grundsätzlich. Es genügt, einfach zu sein. Um einfach zu sein, bedarf es des Wagnisses, sich zuzumuten. Fühle ich mich dessen wert genug? Darf ich das? Wer entscheidet darüber, wenn nicht ich selbst? Niemand sonst kann spüren, was für mich das Richtige ist, und mir die Erlaubnis geben. Und nur wenn ich diesen Schritt des mich Zumutens wage, kann ich gewiss sein, dass mein Gegenüber wirklich an mir als Person interessiert ist und nicht nur an einer Hülle, die mit verschiedenen Masken ausgestattet ist. Nur so kann ich die Person anziehen, die mir entspricht, denn nach dem kosmischen Gesetz erhalte ich das, was ich aussende. Wenn ich nun „Falschheit“ aussende, werde ich dieser auch in anderen begegnen, sie sozusagen ernten. Mit Falschheit bezeichne ich auch, wenn ich bei etwas mitmache, obwohl es mir innerlich widerstrebt, und dabei ein glückliches Gesicht aufsetze und so tue, als hätte ich Freude daran oder fände es ganz wunderbar. Lebe ich Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Echtheit, so werde ich diese Seite auch in meinem Gegenüber anrühren. Das bedeutet in seiner Konsequenz auch, die eigenen Gefühle des jeweiligen Moments zu leben, zu zeigen und mitzuteilen – seien es Gefühle der Trauer, der Wut, der Verletztheit, der Ohnmacht oder Hilflosigkeit oder auch Gefühle der Glückseeligkeit, Freude, Begeisterung oder Liebe. Es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass diese Gefühle zwar durch das Gegenüber ausgelöst wurden, es aber in den wenigsten Fällen die Ursache für diese ist, sondern die Ursache in meiner Geschichte begründet ist.
Um authentisch leben zu können, ist es notwendig, sich selbst zu entdecken, auf das eigene Innere zu lauschen, zu spüren, was mir wirklich Freude bereitet und was mein Wesen jubilieren lässt. Das geht mit Sanftheit und Geduld mir selbst gegenüber einher, denn es ist ein Prozess, der unter Umständen erst wieder erlernt werden will und bei dem es immer wieder „Rückschritte“ geben wird.
Sich am Moment erfreuen
Wenn es mir mit der Zeit immer mehr gelingt, mich dem Augenblick hinzugeben, führt dies dazu, dass ich mir keine Gedanken mehr mache über den weiteren Verlauf einer Begegnung oder einer Aktion, sondern ich erfreue mich an den jeweilig gemeinsam erlebten, lebendigen Momenten. Sich an dem, was ist, zu erfreuen, ist ein wichtiger, entscheidender Punkt. Genauso wichtig ist es auch dankbar zu sein für diese wundervollen Momente, sie wertzuschätzen und diese Dankbarkeit und Berührtheit zu kommunizieren – auch dem direkten Gegenüber, mit dem diese fantastische Erfahrung geteilt werden durfte. So wird immer mehr Zauber Einzug in das eigene Leben halten. Es gilt das kosmische Gesetz der Anziehung: Ich bekomme von dem mehr, auf was ich meinen gedanklichen und besonders meinen emotionalen Fokus lege. Habe ich den Fokus hingegen auf das was ich nicht will, werde ich konsequenterweise mehr von genau diesem anziehen.
Mir hilft hierbei immer ein Bild von zwei Ballons. Der eine ist der Ballon, der mit dem gefüllt wird, was ich nicht will und der andere der, der mit dem gefüllt wird, was ich will. Jedes Mal, wenn ich sage, ich möchte nicht xy, dann puste ich sozusagen Luft in den Ballon: ich will nicht. Der Ballon wird immer größer und größer und erfüllt immer mehr und irgendwann ganz mein Gesichtsfeld. Ich sehe also nur das, was ich nicht will. Dummerweise ist es ein Ballon der nie platzt. Sage ich jedoch: ich will xy, dann fülle ich dadurch den Ballon: Ich will. Je mehr ich das tue, desto größer wird dieser. Und was passiert dann mit dem anderen Ballon, während der ich will Ballon immer mehr mein Gesichtsfeld einnimmt? Er verliert an Luft und fällt irgendwann leer und schlaff auf den Boden.
Das kosmische Gesetz der Anziehung erklärt auch, warum sich „Lieb mich“ und „Fass mich nicht an“ immer wieder angezogen haben. Weil sie nämlich genau das nicht wollten. So wird mit der Zeit immer mehr aus dem Vertrauen heraus gelebt, dass sich alles zum richtigen Zeitpunkt und auf die richtige Art ereignet und in der Gewissheit, dass alles mit der Zeit Früchte trägt. Wer mit gutem Beispiel vorangeht, rüttelt sein Gegenüber wach, sodass auch er oder sie den Mut fasst, sich selbst zu sein. Dies wird automatisch zur Folge haben, dass verschiedene Herangehensweisen, miteinander harmonieren können, denn es besteht kein Drang mehr, den eigenen Platz behaupten oder verteidigen zu müssen. Und so ist es dann auch möglich, dass „Lieb mich“ und „Fass mich nicht an“, die so scheints gar keine Anknüpfungspunkte miteinander hatten, plötzlich feststellen, dass eine freudige Begegnung sehr wohl möglich ist und genau durch ihre Kombination sehr tiefe, grundlegende Heilung stattfinden kann.
Konsequenzen der Bewusstwerdung und beginnenden Heilung
Wenn Bewusstwerdung und Heilung stattfinden, können beide Seiten beginnen sich mit anderen Augen zu sehen. Die Einzigartigkeit des anderen kann wahrgenommen werden. Sie können einander wertschätzen für das was sie sind. Es ist möglich, sich in Freiheit bedingungslos herzuschenken, was bedeutet sich in jedem Moment so zu zeigen, wie sie in diesem sind und sich dem Moment ganz hinzugeben. Bedingungslosigkeit, also Erwartungslosigkeit, lässt dem Gegenüber die freie Wahl. Ein Freiheitsgefühl ist die Folge. Dieses lässt durchatmen und macht wirkliche, tiefe Begegnungen aus freier Entscheidung heraus erst möglich. Diese Art der Begegnung kreiert sehr viel emotionale Nähe. Wenn Nähe bedingungslos in Freiheit stattfindet, kann mit der Zeit Vertrauen gefasst werden und eine Öffnung stattfinden, was heilsam wirken kann. Die Begegnung in Bedingungslosigkeit und Freiheit wirkt aus diesem Grund anziehend und führt dazu, dass „Fass mich nicht an“ nun mehr von dieser Art von Begegnung will. So paradox es auch erscheinen mag, kann gerade durch diese Freiheit der Wunsch nach dauerhafterer Verbindung in dieser Person entstehen. Der Wunsch und das Bedürfnis können heranwachsen, sich ebenfalls hinzugeben und mit der Person, die ihm diese Erfahrung ermöglicht hat, zusammenzuleben sowie mit ihr eventuell sogar eine Familie zu gründen. Und so erhält ‚Lieb mich’ plötzlich genau die Sicherheitsbekundung, die sie zuvor unbedingt brauchte.
Im Grunde genommen geht ‚Lieb mich‘ ‚Fass mich nicht an‘ sehr entgegen. ‚Lieb mich‘ stellt die eigenen Sicherheitsbedürfnisse bei Seite, was bedeutet, die eigenen Ängste des Verlassen werdens zu ignorieren. Dies ist eine große emotionale Leistung. Es ist sehr hilfreich, wenn dies von ‚Fass mich nicht an‘ gesehen und wertgeschätzt wird. Es wäre natürlich auch möglich, dass nicht ausschließlich ‚Lieb mich‘ auf das Freiheitsbedürfnis von ‚Fass mich nicht an‘ eingeht, sondern, dass auch ‚Fass mich nicht an‘ das Sicherheitsbedürfnis von ‚Lieb mich‘ respektiert und von vornherein die eigene Enge wahrnimmt, aber bei Seite stellt, die sich ziemlich sicher einstellen wird, und beispielsweise am Ende eines Treffens schon klar ein weiterer Termin verabredet ist. Dies sollte wiederum von ‚Lieb mich‘ gesehen und anerkannt werden, denn es bedeutet ein enormes Entgegenkommen für ‚Fass mich nicht an‘, sich auf diese Verbindlichkeit einzulassen. Die Kunst besteht darin, dass beide eine Balance finden zwischen: die eigenen Gefühle ernst nehmen und offen zeigen/kommunizieren und dem Gegenüber zu liebe auf das Bedürfnis des/r anderen einzugehen, aus der eigenen Komfortzone also herauszutreten. Auf diese Art können beide Seite ein Stück Heilung ihrer frühen unerfüllten Bedürfnisse erfahren und gleichzeitig einen Teil ihrer Persönlichkeit zurückerobern, der auf Grund der eigenen Lebensgeschichte bisher nicht gelebt wurde oder bisher sogar abgelehnt wurde. Beide werden so immer authentischer, so paradox das erst ein mal erscheinen mag.
Es ist eine wunderbare Erfahrung, wenn Menschen in ihrer vollen Kraft und in ihrem Strahlen sind und sich aus dieser Form heraus begegnen. Es bringt etwas noch Kräftigeres und Strahlenderes hervor und wirkt über die Beteiligten hinaus. Die Masken, und damit die aufgesetzten Verhaltensmuster, sind dabei überflüssig, und ein authentisches Leben der eigenen Essenz findet statt. Es ist wunderbar, wenn dies zunächst zumindest in einigen Momenten gelingt. Diese Momente werden sich mit der Zeit immer mehr ausbreiten.
Verbindlichkeit kann Türen öffnen
Wer glaubt, in mir eine Fürsprecherin für dauerhafte Unverbindlichkeit in Begegnungen zwischen zwei Menschen zu finden, wenn ich von Freiheit und Hingabe an den Moment schreibe, der irrt. Öffnung und Hingabe vertiefen sich, nach meiner Erfahrung, dann immer mehr, wenn zwei Menschen sich wirklich aufeinander einlassen und sich zueinander bekennen. Das Vertrauen zueinander wächst durch gemeinsame Erfahrungen. Wer die Höhen und Tiefen, die Licht- und Schattenseiten miteinander erlebt und einander zeigt und dabei erlebt, weiterhin geliebt und angenommen zu sein, wer einfach sie oder er selbst sein darf, die oder der wird sich tief beschenkt fühlen. Gibt es jemanden, den das zum Wegrennen treibt? Mich lädt es zum Bleiben ein. Ghandi schrieb in seiner Autobiographie: „Ich realisierte, dass ein Schwur, anstatt die Tür zur wahren Freiheit zu schließen, sie öffnet.“ Ich stimme mit ihm überein.